Rundgang
»Aber du hast alles geordnet nach Maß, Zahl und Gewicht.«
Wort aus der Weisheit Salomonis
Die Mathematik galt als geheimes Ordnungsprinzip einer von Gott geschaffenen Welt – bis 1492 ein Mann eine Reise antrat, die die Welt veränderte und ein Junge geboren wurde, der bald jedermann das Rechnen lehren sollte ...
Adam Ries und seine Zeit
Wo befinden wir uns um 1500? Der Mensch, die Gesellschaft, ja die gesamte Welt schienen sich neu zu positionieren:
Es herrschte Aufbruchsstimmung!
Der Boden war bereitet für die Entdecker und Erfinder, die – in ihren Beobachtungen und Einsichten nicht mehr durch Dogmen behindert – ein neues Bild vom Universum schufen.
Alles Mathematik
Ohne Mathematik keine Kunst?
Ohne Perspektive kein Abbild der dritten Dimension!
Keine Entdeckungen?
Ohne Projektion keine genauen Seekarten!
Keine Erkenntnis?
Rechnend lässt Copernicus die Erde um die Sonne kreisen.
Keine Technik? Kein Handel? Keine Musik?
Ja selbst Tonleitern sind Mathematik!
Andererseits wäre die Mathematik ohne den Buchdruck, ohne humanistisches Gedankengut, wenig beachteter Wissensschatz der Universitäten und Klöster geblieben. So befruchteten sich die genialen Leistungen großer Geister im 15. und 16. Jahrhundert gegenseitig.
Und Ries? Ist er den Größen seiner Zeit begegnet? Luther, Melanchthon und von Hutten vielleicht – während seiner Erfurter Zeit im Umfeld des Humanisten Georg Stortz. Den anderen sicher in Gestalt ihres Wirkens und ihrer Werke, auch wenn die Informationsvermittlung seinerzeit ungleich langsamer verlief als heute.
Die Kollegen
Mathematiker leben in ihren Schriften - wahre Schätze birgt unsere Ausstellung - und in Symbolen fort:
= + – √
Zeichen einer Zeit, in der die Fachliteratur das Erscheinungsbild der modernen Mathematik bereits erahnen lässt - Formeln statt vieler Worte. Wegbereiter: die „deutsche Coß“, die „Lehre von dem Ding“ (causa, cosa), dem Zeichen für die Unbekannte. Heute Gleichungslehre oder - nach ihrem arabischen Ursprung - Algebra genannt.
Ebenso revolutionär: Bücher, die es erstmals vielen ermöglichten, zu rechnen. Zunächst vermittelten sie das „alte“ Rechnen auf den Linien auf Basis römischer Zahlen, später das neue schriftliche Rechnen mit indisch-arabischen Ziffern - in verständlichem Deutsch, als noch 90 Prozent aller Werke auf Latein erschienen. Rechenbücher als Geburtshelfer einer einheitlichen deutschen Sprache!
RECHNEN muss ein jeder können!
Der Alltag ließ sich um 1500 nicht mehr an den Fingern abzählen. Er war nur noch rechnend zu bewältigen – wollte man nicht betrogen werden. Handwerk, Gewerbe und der Fernhandel blühten auf … Vor allem die wachsende Bedeutung des Geldes verlangte auch dem „gemeinen Mann“ Rechenkenntnisse ab. Ständig galt es umzurechnen! Unzählige Maße, Gewichte und Münzwerte, die sich noch dazu von Ort zu Ort unterschieden, waren zu beherrschen – ohne unser heutiges Dezimalsystem.
Das schwerfällige Hantieren mit römischen Zahlen und das traditionelle Rechnen auf den Linien genügten den alltäglichen Anforderungen bald nicht mehr. Trotz größerer Widerstände setzte sich das schriftliche Rechnen mit indisch-arabischen Ziffern mehr und mehr durch.
Ein neuer Beruf entstand: Der Rechenmeister!
Rechnen Sie selbst wie ein Meister!
Zu Adam Ries’ Zeiten wurden Längen nach Körpermaßen gemessen. Allerdings hatte jede Stadt ihre eigenen Maße, so dass es unterschiedlich große Ellen, Füße, Hände ... gab.
In unserem Experimentierbereich ergeben sich daher ungeahnte Möglichkeiten: Sie sind zu groß? Dann messen Sie sich doch mal mit Münchner Maß. Zu klein? Auf nach Hanau! Unsere Experimentierwand „Wachsen und Schrumpfen“ verhilft zu Traummaßen.
Um- und nachgerechnet wird natürlich „auf den Linien“ ...
Ein Leben auf Rechenwegen
„Macht nach Adam Ries(e) ...“ – ein geflügeltes Wort. Oft gebraucht, um die Richtigkeit einer Rechnung zu bekräftigen. Doch wer war dieser sagenhafte Rechenriese? Ein Mensch! Sohn eines Mühlenbesitzers und Vater von acht Kindern, Großvater … Rechenmeister und Mathematiker, Bergbeamter, Gutsbesitzer ...
Nicht alles aus dem Leben des Adam Ries, Riese, Ryße … ist bekannt – doch immer neue Erkenntnisse runden das Bild. Einzelne Dokumente, fast 500 Jahre alt, erhellen den Weg des Rechenkünstlers – vom fränkischen Staffelstein, seinem Geburtsort, über Erfurt nach Annaberg, bis hin zu seinem Lebensabend auf der „Riesenburg“.
Die Schatzkammer der Rechenkunst
Brillante Zeugnisse des geistigen Vermächtnisses von Adam Ries ruhen in der Schatzkammer der Rechenkunst: Ein dunkler Raum, in dem die Kostbarkeiten erst beim Eintreten aufleuchten ... eine Schatzkammer für die papiernen Boten des sich über die Jahrhunderte verbreitenden Wissens ... eine – auch konservatorisch ideale – Präsentation für historische Bücher, Wert und Wertschätzung vermittelnd.
Nach Adam Ries(e)
Adam Ries – ein „Volksheld“! Warum? Es liegt wohl nicht allein an seinen Verdiensten um die Rechenkunst und die Mathematik … Da gab es andere neben ihm.
Unübertroffen ist Ries als Lehrer und Autor. Seine methodische Herangehensweise und seine Fähigkeiten in der Vermittlung von Mathematik beeindrucken uns noch immer.
So hat der Rechenmeister viele Nachfahren – im Geiste, aber auch genetisch. Beides ist im Adam-Ries-Bund vereint: Ca. 50 Prozent seiner Mitglieder stammen tatsächlich vom Rechenmeister ab. Hinzu kommen zahlreiche Fans: Lassen Sie sich von Würdigungen und Merkwürdigem überraschen!
Das historische Fundament
Die Kellerräume des wahrscheinlich um 1500 erbauten Adam-Ries-Hauses sind im Originalzustand erhalten. Hier könnte Adam Ries die Vorräte inspiziert oder mittels seiner Visierrute den Inhalt der Weinfässer ausgemessen haben.
Der im 15. bis 17. Jahrhundert bedeutenden Kunst des Visierens widmete Adam Ries auch ein Kapitel in seinem dritten Rechenbuch „Viesier Steeb oder Ru=eten / auff jede ohm zu machen / und darmit zu viesieren“.
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